unterGRUND / underGROUND Drucken E-Mail

Horst Hoheisel & Sebastian Brandt

Meta House, Phnom Penh, Cambodia 2008

Mekong, Angkor, Tuol Sleng (Foltergefängnis der Khmer Rouge), Worte von Pol Pot

Phnom Penh, Kambodscha, Januar/Februar 2008






weitere Bilder aus Kambodscha .......Bericht einer Erfahrung (von Horst Hoheisel)


unterGRUND / underGROUND


Zusammen mit Sebastian Brandt, einem jungen deutschen Künstler aus Erfurt, der einer meiner Studenten während meiner Zeit als Gastprofessor an der Bauhaus Universität in Weimar war, arbeitete ich vier Wochen in Kambodscha an einem Ausstellungsprojekt zur Erinnerung an die Zeit der Khmer Rouge. Das Projekt wurde vom Goethe Institut gefördert und lief parallel zum internationalen Tribunal über fünf Angeklagte Führer der Khmer Rouge in Phnom Penh. Die kambodschanischen Künstler nahmen mit sehr realistischen Ölgemälden an der Ausstellung teil und zeigten Folter, Blut und Haufen von Schädeln. Im Kontrast dazu arbeiteten wir mit dem Schlamm des Mekong. Sebastian kam auf diese Idee, als er vom Flugzeug aus die braunen Reisfelder sah (Trockenzeit), durchzogen vom braunen Wasser der Flüsse, die das ganze Land prägen.

So fuhren wir zum Mekong. Der Fluss war schon zu Zeiten des Angkor-Reichs die Lebensader Kambodschas, Grundlage für Reisanbau, Fischfang und Transport. Jedes Jahr bringt der Mekong neue Schichten fruchtbaren Schlamms. Der Fluss ist auch ein glaubwürdiger Zeuge der Vergangenheit. So füllten wir Säcke mit trockenem Schlamm von dem Ufer des Mekong, transportierten sie zu unserem Ausstellungsraum im Meta House in Phnom Penh, weichten den Boden mit Mekongwasser wieder auf und überzogen den ganzen Fußboden des Ausstellungsraumes mit einer Schlammschicht.

Nach einer Woche Trocknung bei kambodschanischen Temperaturen von 35 Grad Celsius, riss die Erde auf. Unter den Trockenrissen erschienen Zitatfragmente von Pol Pot in Khmer-Schrift. Bevor wir den Schlamm einfüllten, hatten wir den ganzen Fußboden mit den Zitaten aus Pol Pots kleinem roten Buch bedeckt.
Ausstellungsbesucher gingen barfuss, wie es in Kambodscha beim Betreten eines Hauses Sitte ist, über den aufgerissenen trockenen Mekongschlamm und entdeckten die Fragmente aus der Khmer Rouge - Vergangenheit, die in der kambodschanischen Gesellschaft noch immer unter einem Tabu vergraben liegt.
Nur wenige Kambodschaner sprachen mit uns über die Khmer Rouge Zeit (dagegen aber um so mehr Ausländer). Die Mehrheit der Khmer bewahrt Schweigen und lächelt. Eine Gruppe buddhistischer Mönche aus dem gleichen Kloster, in dem auch der junge Pol Pot Mönch war, bevor er ein politischer Führer wurde, diskutierte mit uns sehr offen diese dunkle Geschichte des Völkermordes. Ein Viertel der Bevölkerung wurde von den Khmer Rouge ermordet.

Über die Wände unseres Ausstellungsraumes zog sich ein Fries aus Fotos, in dem wir zwei ganz unterschiedliche symbolische Gebäude Kambodschas verbanden. Wir konfrontierten den aus großen Sandsteinblöcken zusammengefügten Boden des kambodschanischen nationalen Heiligtums: der antiken Tempel von Angkor, mit dem Fliesenboden des Foltergefängnisses Tuol Sleng aus der Khmer Rouge Zeit. Wir schnitten die Fugen zwischen den Sandsteinen von Ankor aus den Fotos heraus und durch dieses Netz der leeren Fugen wurden Fragmente der Fliesen des Gefängnisbodens sichtbar.
Tuol Sleng, das nur sechs Gefangene überlebten, ist heute ein Museum.
In diesem Fries scheint der feste Boden von Angkor in Bewegung zu geraten und die schweren Sandsteinplatten treiben wie Eisschollen über den Fliesenboden von Tuol Sleng.

Wir fixierten das aus dem Boden von Angkor herausgeschnittene Netz aus Zwischenräumen auf transparenten Plastikbeuteln unter dem Foto-Fries und legten in die Beutel Zettel mit Namen von Erinnerungsobjekten, die Sebastian und ich vor und während unseres Kambodscha-Aufenthaltes gesammelt hatten.
In den Beuteln erschienen auch Namen von Erinnerungsobjekten, die Kambodschaner uns gebracht hatten.
Die Objekte selbst wurden im benachbarten Ausstellungsraum zusammen mit den Arbeiten der kambodschanischen Künstler gezeigt. Unsere Objektsammlung war ein Versuch der Vergegenständlichung unserer Annäherung an Kambodscha und an die Vergangenheit der Khmer Rouge . Wir wollten mit den Objekten unsere Sicht als Ausländer aus dem Westen mit einem ganz unterschiedlichen kulturellen und historischem Hintergrund dokumentieren.

Neben unserer Sammlung war ein zweiter Tisch mit den Objekten, die Kambodschaner uns als ihre Erinnerungsgegenstände an die Zeit der Khmer Rouge gebracht hatten.

Der große Unterschied zwischen den beiden Sammlungen von Erinnerungsobjekten, aber auch zwischen unserer Installation aus Mekong-Schlamm und den Ölgemälden der kambodschanischen Künstler, zeigte deutlich den leeren Zwischenraum zwischen unserer westlichen Sicht auf Kambodscha und der eigenen Erfahrung der Khmer in Kambodscha.

Wir verstanden in dieser kurzen Zeit nichts von diesem armen Land mit seiner so wechselhaften Geschichte. Wir erfuhren subjektiv Kambodscha als ein von Ausländern, Non Government Organisations ( NGO `s ) und Dollar dominiertes Land mit sehr harten Schnitten zwischen arm und reich.

Als Künstler aus Europa, eingeladen von einer deutschen Institution, um über Erinnerung an die Khmer Rouge Vergangenheit zu arbeiten, waren wir selbst Teil dieses Systems: Entwicklungshilfe, das uns manchmal ein wenig an die Kolonialzeit erinnerte.
Sebastian Brandt und ich haben in Kambodscha ein Gespür für unsere eigenen Grenzen gegenüber einer fremden Kultur entwickelt. So leistete Kambodscha für uns ganz persönlich eine wichtige Entwicklungshilfe.
Der Titel unserer Ausstellung ist: unterGRUND, unser Projekt aber hieß: Das Eigene und das Fremde. Beides haben wir in Kambodscha sehr stark erfahren.

Februar, 2008
Horst Hoheisel